Rezensionen und Lesetipps

An dieser Stelle weisen wir Sie auf Bücher hin, die auf verschiedensten Wegen zu uns gefunden haben.

Vielleicht können wir mit unseren Besprechungen Ihr Interesse wecken, sie ebenfalls zu lesen.


Rezensionen eingrenzen




Sie packen aus - Frauen im Kampf gegen die Mafia

von Mathilde Schwabeneder
Rezension von Hans Bäck

Molden Verlag

ISBN 978-3-222-15056-2

 

Neun Reportagen von Frauen, die sich gegen die Mafia zur Wehr setzen. Geschrieben von der langjährigen ORF-Korrespondentin in Rom, nach ihrem 2014 erschienenen Buch „die Stunde der Patinnen – Frauen an der Spitze der Mafia Clans“ findet sie nun jene, die sich zur Wehr setzen. Nicht nur zur Wehr setzen, sondern sich ganz bewusst im Kampf gegen das organisierte Verbrechen engagieren. Sei es als Politikerin, als leitende Polizistin, Kronzeugin, Anwältin...

Und als langjähriger Süditalien-Besucher stürzt sich der Rezensent auf dieses Buch und hört nicht auf zu lesen, bis er an der letzten Seite angelangt ist und dann, ja und dann nochmals beginnt. So unglaublich sind die Schicksale, die Arbeiten, die Leistungen jener neun – eigentlich sind es zehn – Frauen, welche die Autorin aufgestöbert hatte und die bereit waren in Interviews alles zu riskieren. Es ist unglaublich, wie anscheinend machtlos ein Staat gegenüber der Gewalt der Clans ist. Wie noch immer die verklärte Romantik den archaischen Ehrenkodex der „Familien“ das Denken und die Betrachtung von Außen beherrscht. Nebenbei erwähnt die Autorin, dass es selbst in „unregierbaren“ Städten wie Palermo oder Neapel immer wieder Ansätze gibt, die Hoffnungen aufkeimen lassen. Wenn einzelne Bürgermeister gewählt werden und Maßnahmen ergreifen, die zur Verbesserung der Lebenssituation führen, so sind dies Einzelerscheinungen und „es“ wird dafür gesorgt, dass derartige Experimente nicht von Dauer sind und mit Wahlen möglichst rasch wieder zu den ursprünglichen Zuständen zurückgekehrt wird. Da wird das gesamte Dilemma dieses Staates sichtbar! Und wie die Menschen sich damit abfinden, gottgewollt hinnehmen, dass bereits die Kinder auf der Straße in die Tätigkeiten eingespannt werden. „Wir bräuchten mehr Ganztagsschulen“ wird am Beispiel Neapels von der Vize-Polizeidirektorin gesagt. Wäre es wirklich so einfach? Was ist mit der systematischen Unterwanderung wichtiger Wirtschaftszweige, die sich schon längst nicht mehr auf Italien beschränkt, sondern unverrückbar in Deutschland, der Schweiz, in Österreich Fuß gefasst hat? Man fragt sich, wie weit die europäische Zusammenarbeit geht oder vielmehr, wie wenig weit! In Italien ist es ermöglicht worden, das Vermögen von verurteilten Mafiabossen einzuziehen, so wurden allein von der Camorra rd. 7 Milliarden Euro an Vermögen konfisziert. Das scheint ein beachtlicher Betrag zu sein, doch ist der Zeithorizont zu beachten: Das erfolgte innerhalb von 28 Jahren (zwischen 1992 und 2019), damit relativiert sich der Erfolg doch nicht so einschneidend, denn es sind im Jahresschnitt 263 Mio. Euro und das ist doch etwas mehr als ein „Abschreibposten“.

 

Und trotzdem sollte das Buch Mut machen, auch für den mitteleuropäischen Leser, denn es werden immer mehr Menschen, die NEIN sagen, sich dagegen stellen und immer mehr, die sich aktiv zur Wehr setzen. „Aufgeben? Niemals! Rief eine der Betroffenen.

Unvergesslich wird dem Rezensenten ein Erlebnis bleiben, als bei einem plötzlichen Wolkenbruch auf der SS 12 zwischen Leifers und Bozen die Sexarbeiterinnen aus Nigeria in ihrer spärlichen Bekleidung am Straßenrand ausharrten. Das letzte Kapitel des Buches schildert eindringlich die Grausamkeit mit der Frauen aus Afrika ausgebeutet werden. Und eine, die es geschafft hatte, sagt uns allen „Viele Leute glauben, wir sind alle Nutten. Aber nicht alle Nigerianerinnen kommen hierher, um mit Sex auf der Straße ihr Geld zu verdienen.“ Und noch eines liegt der betroffenen Frau besonders am Herzen: „Die jungen Frauen in Nigeria müssen besser informiert werden über das, was sie in Europa tatsächlich erwartet.“

Das wäre der Schlüssel für viele Probleme – auch mit der illegalen Immigration! Bleib zu Hause, das was dich hier erwartet ist um Nichts besser.

Ein Buch, das unendlich traurig machte beim Lesen, das aber auch wieder Hoffnung gibt, wenn es tatsächlich die Frauen sind, welche der Mafia den Kampf ansagen. Oft genug war es schon so in der Geschichte, dass „etwas weiterging“ wenn Frauen zugriffen und nicht auf die Ohnmacht und das Nichtstun der Männer warteten. Auch scheint es in der italienischen Öffentlichkeit ein Umdenken zu geben, nicht nur Einzelne haben genug von der Tyrannei der Clans, es wird auch politisch opportun, endlich wirksam vorzugehen. Darf man Hoffnung haben? Dem wunderbaren Land und den großartigen Frauen und Männern Italiens wäre es zu wünschen!

 

Hans Bäck




Mutter. Chronik eines Abschieds

von Melitta Breznik
Rezension von Hans Bäck

Luchterhand ISBN 978-3-630-8750-4

 

Melitta Breznik, in Kapfenberg geboren, AHS Matura, Medizinstudium in Graz und Innsbruck, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, lebt in der Schweiz.

Seit Jahren lässt Breznik immer wieder mit ungewöhnlichen Büchern aufhorchen. Ungewöhnlich, da sie immer wieder – und nicht nur zwischen den Zeilen – ihren Beruf durchleuchtet. Sie ist eine begnadete Schriftstellerin, welche anscheinend die Doppelbelastung - oder doch besser Doppelbegabung - anscheinend immer wieder bewältigt.

Nun legt sie einen schmalen Band vor – gerade einmal 160 Seiten – um vom Sterben ihrer Mutter zu berichten. In der Flut von Büchern zu diesem Thema, die nicht nur seit Corona über uns hereinbrechen, ist das eine wohltuende Ausnahme. Natürlich, es geht um das Abschiednehmen, das Loslassen, es geht um die alltäglichen Belastungen, welche auf die pflegende, begleitende Tochter hereinbrechen. Es geht auch um die Frage, was kann, darf, soll eine Tochter, die eben zufällig Ärztin ist, der unendlich leidenden Mutter an Erleichterung verschaffen. Ja, es wird ausgesprochen: An eine Verkürzung des Leidens denken? Das nehme ich als Rezensent vorweg, trotz der Möglichkeiten in der Schweiz, in der die Autorin lebt, wird das nicht vorgenommen. Erleichterungen ja, aber selbst die Verabreichung von Schmerzmitteln wird zur Überlegung „Wo beginnt die aktive Sterbehilfe und wo ist sie passiv, beeinflusst doch die kleinste Handlung den Sterbeprozess, jedes Geben oder Weglassen einer Schmerztablette, einer Infusion oder einer Beruhigungstablette.“ (S 129).

Die Autorin verschweigt auch nicht die psychischen und physischen Belastungen, die sich ergeben, die Belastungen durch „gutgemeinte“ Hilfsangebote, das Beharren der Mutter, möglichst lang selbstbestimmt zu bleiben – ohne es als Sturheit zu bezeichnen, das wäre die herkömmliche, ortsübliche Aussage des Außenstehenden. Doch das kommt im Wortschatz von Breznik nicht vor. Sie hat als erfolgreiche und arrivierte Autorin ein anderes Repertoire zur Verfügung.

Und sie lässt den Leser teilhaben an der Stille, welche die beiden Frauen in den Nächten umfängt, aber auch an den hellen Tagen, wenn die Mutter, erschöpft von den Mühen der Morgentoilette, wieder einschläft und die Tochter ebenso erschöpft die Stille in sich aufnimmt.

Eine Studentin der Uni Wien fragte den Rezensenten anlässlich eines Telefongespräches, wie autobiografisch die Texte von Melitta Breznik seien. Nun, nach einer Rücksprache mit einer der Helferinnen, die auch im Buch erwähnt wurde, ist dieses Abschiednehmen sehr genau und umfassend beschrieben. Es stellt sich jedoch die Frage, warum will das jemand wissen? Jemand, der die Autorin nicht kennt, womöglich nur vom Buch gehört hat? Was bedeutet für einen Leser, eine Leserin noch dazu eine junge aus der nächsten Generation, die Authentizität eines Textes? Ich habe der Anfragenden nur die Antwort gegeben, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die meisten Texte der Schriftsteller irgendwo autobiografisch sind, ob sie damit auch schon authentisch sind, ist eine andere Frage. Beim Buch von Melitta Breznik halte ich persönlich die Frage nach dem „Umfang“ der Autobiografie für unanständig. Die Autorin legt hier einen ganz entscheidenden Abschnitt, zeitlich ja nur ganz kurz, vom 17. Oktober bis zum1. Dezember, ihrer Mutter-Tochter Beziehung dar und lässt den Leser Einblick nehmen in den großen Abschied, der in irgendeiner Form uns allen bevorsteht. Der große Abschied, der ein stilles Hinübergleiten sein kann, ein fürchterliches Aufbäumen, ein theatralisches Abtreten, egal, es bleibt ein ganz persönliches, intimes „Fortreisen für immer“ (Seite 158).

Es wäre schön, diesen Text auch von der Autorin persönlich einmal vorgetragen zu bekommen. Immerhin, ihr letzter öffentlicher Besuch in ihrer Heimatstadt liegt auch schon wieder 7 Jahre zurück. Wäre das eine Anregung, liebe Fr. Dr. Breznik?

 

Hans Bäck




Der ewige Faschismus

von Umberto Eco
Rezension von Hans Bäck

Hanser Verlag

 

Auf der Suche nach italienischer Literatur fand ich in unserer Stadtbücherei leider nur die Bücher der Elena Ferrante aber sonst nichts von den Schriftstellern die ich suchte. Aber als Ersatz oder Trostpreis fiel mit ein schmales Bändchen von Aufsätzen des 2016 verstorbenen Umberto Eco in die Hände. Und das war ein Glückstreffer! Fünf Vorträge des großartigen Schriftstellers, Wissenschaftlers und Denkers aus den Jahren 1995, 1997 und 2012! Eingeleitet von Roberto Saviano, jenem unerschrockenen Journalisten der die Machenschaften der Cosa Nostra aufzeigte und auf Initiative Ecos jenen Schutz erhielt, dem er es verdankt trotz der Morddrohungen der Mafia heute noch zu leben.

Unglaublich, wie Eco sich mit den wichtigen Themen unserer Zeit auseinander setzte. Welcher Geist da verloren ging, als er 2016 starb können wir an diesen Aufsätzen ein wenig ermessen.

„Der ewige Faschismus“ „Die Migration des dritten Jahrtausends“ „Intoleranz“ „Ein neuer Vertrag von Nimwegen“ und „Experimente in reziproker Ethnologie“ so die Titel der Aufsätze. Jeder einzelne Anregung, die herauf dämmernden Zeichen der Unzeit zu erkennen!

Zwar nur knapp über 70 Seiten, aber was für welche!

In der Stadtbücherei Kapfenberg auszuborgen oder über die Buchhandlungen zu kaufen.

Bestens geeignet, die zweite Corona-Welle lesend zu übertauchen!

 

Hans Bäck




Aufruhr

von Michael Scharang
Rezension von Hans Bäck

Roman, Suhrkamp

ISBN 978-3-518-42928-0

€ 24,70

 

Na endlich, ein neues Buch von Michael Scharang! Das muss man ihm schon lassen, von einem Buch zum anderen lässt er sich sehr viel Zeit und das ist auch gut so: Denn Scharang ist nicht einer jener, die pausenlos, im dreiviertel Jahresrhythmus ein Buch nach dem anderen „herausjagen“.

Daher sind seine Bücher immer wieder – zumindest von mir – erwartet und, wenn sie dann da sind, neugierig angenommen.

 

Dr. Maximilian Spatz - Ein Psychiater, geboren in Wien, wirkend in New York wird Zeuge eines unglaublichen Mordes, und verwickelt die Mordkommission in ein Gespräch mit der Folge, dass er nie mehr näher befragt oder einvernommen wird.

Verwicklungen bahnen sich an, doch da kommt unverhofft die Freigabe der Universitätsklinik an der Dr. Spatz tätig ist für ein Sabbatical. Er bricht nach Wien auf, kommt zurecht, um einer jungen Frau beizustehen, die als gewerkschaftsunabhängige Betriebsrätin in einen Arbeitskonflikt verwickelt ist.

Scharang wäre nicht DER Scharang, den wir kennen (und schätzen) wenn er nicht dabei seine bewährten, Altlinken Gedanken und Ideen einbringen würde. Doch halt, Vorsicht, das ist ein ganz anderer Scharang, zumindest bis etwa Seite 200. Ich gebe gerne zu, ich habe selten so gelacht in der letzten Zeit bei den Neuerscheinungen die gelesen habe. Seitenweise dachte ich, ich lese einen Schelmenroman. Mit welch köstlichem Humor der Autor die Rückkehr des Dr. Spatz in seine Heimatstadt schildert, die Begegnungen, den Aufbau eines „Netzwerkes“, alles um seiner frisch kennengelernten Anna in ihrem Arbeitskampf zu helfen. Seine Partner und Mitstreiter, die Schilderungen, wie er jene „aufsammelte“ ja, wirklich, ein ganz neuer Scharang. Einfach köstlich und dabei nicht einmal versteckt verpackt die Gesellschaftskritik, die man bei diesem Autor ja wohl erwarten darf. Und urplötzlich kippt der Roman ins Unvorstellbare. Das Netzwerk, die „Gruppen“ die sich aufmachen, die eine Bewegung in Gang setzen – nun heutzutage sollte man mit dem Begriff Bewegung sparsamer umgehen, ich bleibe daher bei den Gruppen, die etwas in Gang setzen. Eine Betriebsversammlung im Kaufhaus, in dem Anna bisher als Betriebsrätin auf verlorenen Posten stand, ändert alles. Fernsehen wird aufmerksam, die Menschen vor den Schaufenstern werden aktiv miteingebaut. Die skurrilen Mitstreiter von Dr. Spatz und Montefiori, und Philipp Zappel, sowie Anna, sie entfachen ein Feuerwerk – ja sogar ein tatsächliches, am Dachgeschoß der „Krone“ doch das kommt erst viel später. Alles scheint sich so zuzuspitzen, wie geplant und gewollt. Die österreichische Regierung geht vorerst einmal für drei Monate in die Slowakei ins Exil. Das Interregnum der arbeitenden Klasse bricht aus, das befürchtete, erwartete, herbeigeschriebene Chaos bleibt aus – so dass alle Protagonisten endlich aufbrechen können, zurück nach New York, wo Freddy, der Wirt jener Kneipe in welcher der eingangs geschilderte Mord geschah, alles vorbereitet hatte, um die Rückkehrer aufzunehmen: Dr. Spatz mit Anna, Montfiori mit Zerlina, der Ex-Frau von Dr. Spatz, Philipp und dessen Freundin, nur David Intrator blieb in Wien bei Frau Ehrenreich, und man sah wie „Frau Ehrenreich und ich gingen Hand in Hand zu Otto Wagners Postsparkassengebäude, standen davor, umkreisten es, standen wieder davor und ließen die Schönheit auf uns wirken, bis unsere Gemüter sich aufgehellt hatten.“

Und inzwischen ist in einem fiktiven Österreich, dessen Regierung nicht zurückgekommen ist, das Arbeiterparadies ausgebrochen. „Das ganze Land versinkt in einem Meer von schwarzen Fahnen. Die Hotels waren von Medienleuten aus aller Herren Länder ausgebucht. Bilder wurden ausgestrahlt, wie sie die Welt noch nie gesehen hatte.“

Michael Scharang, natürlich der konsequente, unerschütterliche Altlinke hat hier ein Buch vorgelegt, das in seiner Komik und in seiner Voraussicht fast ein wenig verzaubert. So auf die Art „So könnte es sein“, wenn auf Seite 209 steht: „Wir sind Nullen, und wir beginnen bei null. Alles ist kaputt, die Arbeiterbewegung, die Studentenbewegung, die kommunistischen Parteien, die Gewerkschaften. Wir haben es leicht. Wir wissen, was unsere Vorgänger richtig und was sie falsch gemacht haben. Ihr Fehler war, dass sie den Kampf eingestellt haben, bevor er gewonnen war. Sie haben Waffenstillstandsangebote akzeptiert, die Waffen niedergelegt – und sind erschossen worden. Wir werden unerbittlich sein: kein Frieden mit den Kriegsfreunden, keine Freundschaft mit den Menschenfeinden.“

Ein wunderbares Buch, das nicht nur skurril ist, sondern sehr nachdenklich macht. Die Altersweisheit des Autors hat noch immer nicht seine revolutionären Ideen milde gestimmt. Vielleicht ist das auch gut so!

 

Hans Bäck




Sonnenblumengeflüster

von Sigrid Uhlig
Rezension von Hans Bäck

Short Stories

Engelsdorfer Verlag Leipzig

ISBN  978-3-96145-864-6

 

Da flüstern sie also, die Sonnenblumen, aber nicht nur diese. Es geht querbeet – wie man in Deutschland sagen würde. Nicht nur die Sonnenblumen, auch die Moosmännchen, viele Tiere, vom Hund beginnend, der drei Beine hatte, bis zu den Ratten, schließen eine geheimnisvolle Welt auf. Das ist nicht nur eine Welt der Kinder oder für Kinder. Da geht es manchmal ganz schön zur Sache, wird richtiggehend kriminell oder wie unser österreichischer Nestroy sagen würde: Kriminalisch!

Einblicke in das Leben der Autorin, versteckt zwischen einzelnen Überschriften oder in Kapitelinhalten. Man erfährt Verschiedenes dazwischen, mehr oder weniger nebenbei. Flucht fast noch als Baby, Verlust der Familie, Neuanfang DDR, Wende, Mauerfall, die gesamte 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts schreibt in diesen short stories mit. Ist ja auch kein Wunder. Was hat uns, die wir das erleben konnten, da nicht alles geprägt und beeinflusst. Sagen wir heute, „gut, dass es vorbei ist“ oder doch die andere Sichtweise „Nun, so schlimm war es gar nicht, denn wer hatte jemals damit gerechnet, dass unerschütterliche festgefügte Kolosse so in sich zusammenbrechen würden!“

Das alles ist unsere Geschichte und die Autorin ist auch ein Teil dieser Geschichte. Ein wenig verschämt führt sie immer wieder – auch nun zwischen den Zeilen – ihr Alter an. Na und? Liebe Sigrid! In Ehren und gut alt geworden, das ist in unserem Zeitalter doch etwas! Da kann es schon passieren, dass die köstlichste Geschichte des gesamten Bändchens unverdient weit hinten eingereiht wurde: Heilloses Durcheinander. Ein Kabinettsstückerl des Spiels mit der Sprache.

Wen stört es, dass der Weihnachtsmann mit seinem Gefolge auftaucht, der Osterhase ebenso? Die Autorin beschäftigt sich seit Jahren damit, den Kindern in ihrer Wohnstadt die Möglichkeiten zu eröffnen, selber zu schreiben (Die Hamster), sie hat auch in Kapfenberg bei ihren Besuchen in den Volksschulen immer wieder solche Schreibaktionen angeregt und begleitet. Und wenn es in der DDR - in dem Staat wurde sie immerhin sozialisiert, hatte die meisten Jahre ihres Lebens dort verbracht - kein Christkind sondern den Weihnachtsmann gab, so ist das der Gesellschaft zuzuschreiben. Ich weiß schon, wir in unserem barocken Österreich kämpfen (leider vergeblich)um weihnachtsmannfreie Zonen, wir wollen unser Christkind behalten!

Bei aller Liebe zu den Menschen, der kritische Blick auf die allzu menschlichen Seiten des Lebens, den erspart sie uns auch nicht.

Liebe Sigrid! Du hast uns da ein Kästchen eingelegt. Und aus deinen so geliebten Märchen, wissen wir, in so geheimnisvollen Kästchen kann unterschiedlichstes verborgen sein. Lieber Leser, geh auf Entdeckungsreise, Sigrid nimmt dich an der Hand und führt dich durch Länder, von denen du nicht gedacht hast, dass es die noch gibt – in der Literatur zumindest. Schön, diese Entdeckungsreise, wenn dabei auch nicht immer dem Zeitgeist entsprochen wird.

 

Hans Bäck





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