Rezensionen und Lesetipps
An dieser Stelle weisen wir Sie auf Bücher hin, die auf verschiedensten Wegen zu uns gefunden haben.
Vielleicht können wir mit unseren Besprechungen Ihr Interesse wecken, sie ebenfalls zu lesen.
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Plädoyer eines Märtyrers
von Peter VeranRezension von Hans Bäck
Eine Groteske
Pro Media Verlag, ISBN 978-3-85371-471-3
Der ehemalige Bundeskanzler, Engelbert Dollfuß, wird exhumiert und vor ein österr. Gericht des 21. Jahrhunderts gestellt. Dollfuß bekommt eine Chance, sein Verhalten in den Jahren der austro-faschistischen Diktatur zu „rechtfertigen“. Soweit die Idee des Autors, der als Jurist natürlich prädestiniert ist, solche Vorhaben umzusetzen. Dass Peter Veran als Angehöriger der steiermärkischen Arbeiterkammer naturgemäß rein von der Ideologie her nicht unbedingt auf der Seite des „Angeklagten“ stehen wird, ergibt sich von selbst.
In der Einleitung, im ersten Abschnitt „Die Verantwortung“ wird in aller Kürze dargelegt, wofür sich Dollfuß zu verantworten hätte. Eine beachtliche Speisekarte, ohne auf die Details einzugehen:
Verbrechen gegen Leib und Leben,
Verbrechen gegen den Staat,
Angriffe auf die obersten Staatsorgane,
Verbrechen gegen die Freiheit,
Verbrechen gegen den Frieden,
Strafbare Verletzung der Amtspflicht und Korruption,
Strafbare Handlungen gegen die Rechtspflege,
Verbrechen gegen das Vermögen ...
Dollfuß beginnt ganz logisch und vom Ablauf her korrekt mit dem Jahr 1918. Mit dem Einzug der ersten frei gewählten Abgeordneten in das neugewählte Parlament. Natürlich muss der Angeklagte bereits in dieser Phase zeigen, welch Geisteskind er war. Die Seitenhiebe auf die erstmals auch passiv wahlberechtigten Frauen und deren Einzug ins Parlament, genüsslich kommentiert er das Geschehen, die ersten Debattenbeiträge der Frauen, auch jener aus den eigenen Reihen (heute würde das als Gesinnungsgemeinschaft bezeichnet werden), die erste Verfassung des Jahres 1920 von Kelsen mit den unvermeidlichen antisemitischen Seitenhieben auf diesen. Doch das soll gelesen und nicht hier ausführlich dargelegt werden. Dollfuß lässt in seiner Rede vor dem Gerichtshof des Jahres 2020 nichts aus, das heißt aber auch, dass der Autor penibel recherchierte bevor er sich dran machte, dem ehemaligen Bundeskanzler ein Plädoyer in den Mund zu legen. Über Kelsen, dessen Verfassung, die Rolle der Sozialisten im Parlament, in der Öffentlichkeit, den Wiener Bürgermeister Seitz, bis hin zu den Entwicklungen die letztlich zum Februar 1934, zum Bürgerkrieg führten. Für alle Nachgeborenen immerhin ein ziemlich umfangreicher Geschichtsunterricht über die Probleme der Ersten Republik. Wobei Dollfuß in seinem Sermon nie ein Hehl daraus machte, dass ihm die Republik oder die demokratische Staatsform von Anfang an zuwider war. Zeitgeist hin oder her, die Lage in den Jahren nach 1918 war in allen europäischen Staaten, egal ob Siegermächte oder Verlierer (der Rest ist Österreich) – sagen wir einmal so: ziemlich unübersichtlich. In Italien reckte der Faschismus seinen scheußlichen Schädel aus dem Schlamm der Not der Menschen, die Weimarer Republik, auch eher ein hilfloses Konstrukt als eine Möglichkeit der Not der Bevölkerung eine Hilfe zu sein, in Ungarn das Horthy Regime, an der Südgrenze der neue Staat, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, das seit seinem Beginn an den Nationalitätenwirren zu arbeiten hatte (und die auch nicht regeln konnte). Lediglich die Schweiz als unverrückbarer Haltepunkt im europäischen Geschehen ging der ureigenen Schweizer Beschäftigung nach: Mehrung des Wohlstandes. Die Tschechoslowakei stellte eine einigermaßen gefestigte Demokratie dar, sorgte aber mit der schon in Ansätzen erkennbaren Diskriminierung der österreichischen/deutschen Minderheit, den Sudeten, für Unmut. All das und viele andere Umstände führten letztlich dazu, dass sich im „Rest, der Österreich“ war, die Situation der Menschen ständig verschlechterte. Die Goldenen Zwanziger Jahre in Mitteleuropa werden von Dollfuß und daher auch vom Autor (bewusst?) ausgeklammert.
Die berüchtigte Rede am Trabrennplatz, der Heimwehrschwur von Korneuburg, der Prozess um die Opfer von Schattendorf, der darauffolgende Brand des Justizpalastes, alles wird vom „Angeklagten“ geschildert und aus seiner Sicht dargestellt. Man ist als Leser versucht, den Zwang der Verhältnisse zu bemerken, wenn nicht der Autor in seiner Wahl der Darstellung alles wieder ins – nein nicht rechte, sondern linke –Licht rücken würde.
Über die Abläufe des Februar 1934, den Folgen danach und allem was damit im Zusammenhang steht sind Kilometer an Buchlängen in den Bibliotheken und Geschichtsinstituten enthalten. Da bekommt der Leser vom Autor auch nichts Neues vorgelegt. Auch der Herr Dollfuß hat dazu keine neuen Erkenntnisse beizusteuern. Der spätgeborene Leser fragt sich an dieser Stelle dann schon einmal „aha und warum?“
Doch es sei, das Buch ist das, der Autor nennt es selbst eine Groteske. Die Urteile der Standgerichte, die nachfolgenden Justifizierungen werden so dargestellt, als ob die Gerichte, die Polizei, das Bundesheer also der gesamte Staat, gar keine andere Wahl gehabt hätten. Gut, aus der Sicht des damaligen Bundeskanzlers. Doch aus der Sicht des Historikers? Damit stellt sich für den Rezensenten die grundsätzliche Frage, wie es mit der Befehlsgewalt, der Verpflichtung zur Erfüllung von Befehlen im Prinzip steht. Der Rezensent macht kein Hehl aus seiner grundsätzlichen Abneigung gegen alles Militärische, da seiner Meinung nach für den Bürger nie nachvollziehbar sein wird, wer hinter den Ausführungen in der Uniform steht, wer welche Befehle erteilt hat.
Es ist verständlich, dass die am ärgsten von den Februarkämpfen betroffenen obersteirischen Gemeinden Leoben, Kapfenberg und Bruck sich ab 1945 eigene Stadtpolizeieinheiten leisteten, die nicht mehr dem Innenministerium sondern dem Bürgermeister unterstehen – ein Anachronismus, der vom Autor der „Groteske“ verschwiegen wird, während der Angeklagte Dollfuß daran sicher Gefallen gefunden hätte. Aber nun wurde diese Maßnahme ja von der Linken Seite gesetzt und müsste ebenso logisch von Dollfuß wahrscheinlich abgelehnt werden. Mit Bedauern bemerkt der Rezensent, dass die tragische Ermordung des vollkommen unschuldigen und unbeteiligten Kaplans der r. k. Stadtpfarre Kapfenberg 1934 mit keinem Wort erwähnt wird, obwohl alle Indizien dafür sprachen, dass dies eine Aktion der Nationalsozialisten war, das hätte ein Dollfuß (er war zu diesem Zeitpunkt noch am Leben gewesen) ganz sicher für sich ausgeschlachtet. Ein falsches Opfer auf der falschen Seite?
Aus der Sicht des Rezensenten fehlt leider komplett die Selbstschwächung der gesamten europäischen Linken durch die Spaltung zwischen Kommunisten und Sozialisten, die wesentlich dazu beigetragen hatte, dass die restaurativen Kräfte in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg so die Oberhand bekommen konnten. In verschiedenen Nebensätzen des Angeklagten kommt immer wieder vor, das „Ungeraden“ mit ihrer Schwäche, der Autor nennt das die demokratische Gesinnung, die Tatsachensetzung der Rechten geradezu herausgefordert hätten. Genauso fehlt dem Rezensenten der Hinweis, wie gerade die österreichischen Kommunisten die Hauptlast des Widerstandes gegen das Hitlerregime trugen, während die sozialistischen Arbeiter in der Obersteiermark sich weitgehend arrangiert hatten. (Herbert Zinkl „Lausige Zeiten“, sowie Josef Martin Presterl „Im Schatten des Hochschwab“). Dass diese Verleugnung sich nach der Gründung der Zweiten Republik nahtlos fortsetzte in der Diskriminierung der kommunistischen Arbeiter und Betriebsräte wäre für Herrn Dollfuß in seinem Plädoyer eigentlich ein „Fressen“ gewesen.
Trotz einiger Vorbehalte ein interessantes Buch. Und eine originelle Herangehensweise, um einen Verstorbenen nachträglich in seinen Handlungen und Beweggründen darzustellen. Für Geschichtsinteressierte an manchen Stellen eine Ergänzung zu bereits Bekanntem, für „Neueinsteiger“ in die österreichische Geschichte ein guter Behelf um neugierig zu werden und mehr zu erfahren.
Denn eines steht fest: Wenn wir etwas aus unserer Geschichte jemals lernen sollten: So groß können Gegensätze gar nicht sein, dass sie solche Vorkommnisse rechtfertigen würden.
Hans Bäck
Begegnungspsalm
von Titus LantosRezension von Hans Bäck
Mehrsprachige Gedichte
SoralPro Verlag 8047 Graz
ISBN 978-3-903223-11-0
Es gibt sie noch immer, diese kleinen Überraschungen, diese im Verborgenen liegenden Köstlichkeiten. Da ergab es sich, dass ich nach doch etlichen Jahren Titus Lantos „wiedersah“. Herzliche Begrüßung, immerhin kennen wir uns seit vielen Jahren, hatten anlässlich des 70. Geburtstages von Hofrat Dr. Hubert Lendl gemeinsam im Retzhof zu Ehren des Jubilars gelesen und uns auch im Rahmen des Europa Literaturkreises immer wieder einmal getroffen. Dazu ist zu sagen, Titus ist seit vielen Jahrzehnten ein treuer Freund und ein wertes und geschätztes Mitglied des Literaturkreises. Doch genug der Vorreden, ich komme zum eigentlichen Thema.
Bei unserem erwähnten Zusammentreffen gab mir Titus so, wie es seine Art ist, eher heimlich, unter der Hand, seinen Gedichtband „Begegnungspsalm“. Ja, so ganz auf seine zurückhaltende, eher schüchterne Art. „Da habe ich zusammengestellt und zusammengefasst“. Ich blätterte ein wenig und nahm mir vor, demnächst mit der Lektüre zu beginnen. Und ich tauchte ein in eine Welt der Lyrik, von der ich schon annahm, es gäbe sie nicht mehr. Was habe ich doch in der letzten Zeit alles gelesen, das sich Lyrik nannte (nach einer Berechtigung dazu darf man nicht fragen). Und nun, wie gesagt, so ein wenig verschämt, wurde mir ein Gedichtbändchen übergeben, welches mich bezaubert hatte. Ja, wirklich Gedichte und keine Aneinanderreihung von Prosasätzen, die durch willkürliche Zeilenschaltung in Strophenform gebracht wurden. Als ob das schon ein Gedicht ergäbe! Doch ich will mich nicht über andere auslassen, ich will Titus Lantos rezensieren! Aber was heißt das, einen so bedeutenden Lyriker zu rezensieren. Das ist fast ein Frevel. Ich stelle also nicht gegenüber, was ich in den letzten beiden Jahren an Gedichtbänden zugesandt bekommen habe, in den „Manuskripten“ und „Lichtungen“ gelesen, ich halte nur fest, wie armselig da manche Arbeiten daher kommen!
So beginnt der Gedichtband mit einem Gedicht, das ins Kroatische übersetzt wurde, geht weiter mit Übersetzungen ins Polnische, ins Ungarische, französisch und spanisch ergänzen die Bandbreite der lyrischen Bedeutung des Autors. Ja, er ist wirklich ein Europäer! Ein Reisender in Europa, zu Europa! Welch Fülle an Gedanken, an Eindrücken, an Zustimmung ist da zu finden. Ein Liebender ist zu erahnen. Einer der die Welt liebt, die Menschen, die Schöpfung, der darunter leidet, dass die Nachgeborenen sowenig damit anfangen können. Der seine Grenzen erkennt und die Konsequenz daraus gezogen hat: Schöpfst Du den Trunk noch/schöpfst/dir ins Dunkel den Sternrest/bringst die erloschenen Gedanken/mit schilfigen/Händen/und grabend im Moder /(Konturen erahnend)/wohl wissend/dass kaum...
Dann geht es weiter mit dem Niemands-, Träume- und Schweigebaum an den du dir den Strahl hängst, wohl wissend, dass nimmer... Das ist eine Einstimmung auf die Ruhe, die Zurückgezogenheit, aber nicht auf ein Ende, das womöglich zu befürchten sei. Nein, Furcht gibt es in den Gedichten von Titus nicht. Sehr wohl aber Zuversicht, Vertrauen, auch Gottvertrauen, Liebe. Und eine Schönheit der Sprache, die natürlich nicht dem Mainstream entsprechen mag. Aber was ist schon „modern“! Ein Gedicht muss schön sein schrieb Peter von Matt einmal. Und meinte damit den Luxus, der die Lyrik ausmacht. Ja, verehrte Leser, dieses Buch ist ein Luxusprodukt. Da drinnen ist purer Luxus verborgen. Ein Luxus an Sprache, an Bildern, an Schönheit, an Wahrhaftigkeit, an Zuversicht. An allem eigentlich, was uns zur Lyrik greifen lässt. Dabei bleiben die Texte nie beliebig! Titus Lantos scheut sich nicht vor der Stellungnahme, vor der Zeugnislegung. Seine Gedichte aus und zu Asien (Seite 72 bis etwa Seite78) aber auch viele andere Stellen zeugen davon, dass Lantos nicht der Reisende mit der Leica vorm Bauch ist, sondern mit offenem Herzen durchgeht, aufnimmt, anschaut, ins Herz schließt. Ja, er hat diese Welt in sein Herz geschlossen, es ist immerhin diese Welt, die uns als Schöpfung übergeben wurde und davon auch zeugt Titus in seinen Versen.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch kein Abschluss ist, sondern eine Etappe, eine Zwischenstation. Ich bin überzeugt, Titus hat noch Vieles in seinem Fundus, aber auch in seinem Herzen, das herausdrängt, das zu Papier gebracht werden sollte. Lieber Freund, lass deine Freunde nicht zu lange darauf warten!
Russische Reise - Einst und hundert Jahre danach
von Milan RáčekRezension von Hans Bäck
Edition Roesner
ISBN 978-3-903059-72-6 € 19,90
Es kommt immer wieder vor, dass ich ein Buch verstört, ratlos oder zweifelnd auf die Seite lege. Nach einiger Zeit nehme ich es wieder zur Hand, suche, wo habe ich das Lesezeichen gelassen, wieder beginnen, zuerst den Faden zu finden und dann weiterzulesen. Das ist zugegeben schwierig. So jedenfalls taste ich mir nach vor, bis zum Ende des Buches – man verzeihe den sprachlichen Widerspruch: nach vor tasten, bis zum Ende. Aber so ist es. Dann ist die letzte Seite erreicht, das Buch wird zu Seite gelegt und...
Ja, was und? Fragen stellen sich, Vermutungen tauchen auf, und es bleibt nicht aus, das Buch wieder zur Hand zu nehmen, nach vor zu blättern, planlos herum zu suchen, die Notizen anschauen und dann seufzend das Buch wegzulegen.
Nach einiger Zeit, das gibt´s doch nicht und das Spiel beginnt von vorne. Und siehe da, plötzlich kommt es zum AHA-Effekt. Ja, so hat das der Autor gemeint (oder so habe ich das verstanden – das muss nicht immer das Selbe sein). Das Finden beginnt und das Buch bekommt das Leben, das ihm der Autor mitgegeben hat. Ja, ja, da ist eine Reise geschildert, die so eigenartig begonnen wurde und geendet hat, dass die Verstörung, nein besser, die Verzögerung beim Lesen begreiflich wird.
Also, dann los – der Autor beginnt eine Suche nach einer geheimnisvollen ersten Frau seines Vaters. Das dies weit zurück in den ersten Jahren der jungen tschechoslowakischen Republik beginnt, in den dunklen Jahren der Sozialistischen Tschechoslowakischen Volksrepublik weitergeht und letztlich über den neuen Staat Tschechische Republik in Österreich endet, ist natürlich einerseits der Biografie des Autors zuzuschreiben, anderseits in diesem verrückten 20. Jahrhundert nicht wirklich außergewöhnlich.
Ein Bild, eine Erinnerung an verschlossene Türen vergitterte Fenster und vor allem das geheimnisvolle Bild einer wunderschönen fremden Frau. Niemand konnte, wollte darüber Auskunft geben, „da bist du noch zu jung“, „das ist so schwierig“ usw. was die Ausreden der Erwachsenen halt immer sein können. Jedenfalls, alle jahrzehntelangen Reisebeschränkungen sind aufgehoben, der Autor, längst mit einem österreichischen Reisepass ausgestattet, kann ein Besuchervisum bei der russischen Botschaft beantragen und bekommt es auch. Aber!
Damit sind die ersten Komplikationen eingeleitet. Was der Autor mit einem – fast bin ich versucht zu schreiben – typisch tschechischen, nein besser: böhmischen Humor schildert, gehört zur großen Tradition seiner Heimat! Man stelle sich vor, hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, der Gründung der Tschechoslowakischen Republik will der Autor auf den Spuren der legendären Tschechischen Legion in Russland/Sowjetunion die Herkunft der geheimnisvollen ersten Frau seines Vaters erkunden. Was wir dabei erfahren, ist selbst für geschichtlich einigermaßen Informierte ein Erlebnis!
Aunsichdssoche
von Christine TippelreiterRezension von Josef Graßmugg
Noch immer ist es eine weit verbreitete Pauschalmeinung, dass ein im Dialekt geschriebenes Gedicht „alte Literatur“ und ein ohne Interpunktion geschriebenes Gedicht „moderne Literatur“ ist.
Dass das Verlassen alter Strukturen und Denkweisen immer wieder zu neuen Erkenntnissen führt beschreibt Christine Tippelreiter sehr kompakt in ihrem Gedicht „za wos“. Themen, die das Leben präg(t)en, lässt die Autorin in den Gedichten „in“ oder. „weus da Brauch is“ Revue passieren. Mit klaren Worten gelingt es ihr, den Wahrheitsgehalt von Sprichwörtern zu dokumentieren. „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst die niemand kann.“ Diese These bestätigt bezeichnender Weise „va da Kunst“. Der Kontrast zwischen Stadt- und Landleben wird mehrmals beleuchtet. Aber auch wenn ein Gedicht „bei uns am Laund“ heißt, lässt es sich eins zu eins in die Stadt umlegen. Vorurteile sind bekanntlich grenzenlos…
Dass es der Autorin neben ihrer Gesellschaftskritik auch nicht an Selbstironie mangelt stellt sie gleich mehrmals unter Beweis.
Hier ein Beispiel:
dass i
dass i
de Gscheide
dass i
de Greßde
dass i
de Besde
bi
glaub i
da ned
wiakli
owa
i foi
so gean
drauf eine
Natürlich geht es auch nicht ohne die wahre Liebe: „hintarux“ oder „Sunnawendkäfal“ sind schöne Beispiele dafür. Der Tod als fundamentales Ereignis wird ebenfalls thematisiert. Im Gedicht „waun i amoi nimma bi“ erhält man einen Vorgeschmack auf die technische Unsterblichkeit von Menschen.
Tippelreiter zeigt die Welt in ihrer Gesamtheit – im Großen und im Kleinen. Dazu bedient sie sich nicht nur der Literatur sondern auch der Fotografie. Neun Schwarzweißfotos illustrieren den Lyrikband.
Christine Tippelreiter:
Mostviertler Mundart
Gedichte und Fotos von Christine Tippelreiter
Druck: Da Biachlmocha, Scheibbs
127 Seiten
ISBN: 978-3-900596-2-5
stadtseelenland
von Christl GrellerRezension von Josef Graßmugg
Gedichte, 112 Seiten, erschienen im Resistenz Verlag, Neuhofen/Kr. – Linz – Wien, 2016.
ISBN: 978-3-85285-287-4
Ein Lyrikband, geschrieben von Christl Greller.
So einfach könnte man diese Sammlung von exakt 100 Gedichten definieren. Aber die Autorin hat die Texte nicht einfach hingeschrieben, sie hat sich der Lyrik hingegeben, dem Zauber der Poesie ausgeliefert.
Die Lyrik ist ihr Sprachrohr. Es bedarf keiner langatmigen Texte, keiner Essays oder Romane, um Betroffenheit auszulösen. Es genügen Gedichte wie „Stadterwachen“ oder „Augenbestürzung“, um unser Gesellschaftssystem zu hinterfragen.
Oft sind es düstere Bilder, die Christl Greller mit ihren Worten zeichnet. Sie prangert die menschgemachte Schändung der Natur an, den sorglosen Umgang mit Wasser – im Kleinen wie im Großen.
Eine Symbiose mit dem Inhalt des Buches bildet das Umschlagbild von Traute Molik-Riemer.
Lyrik muss nicht immer „schön“ sein. Sie bietet durchaus die Möglichkeit, vieles kritisch zu betrachten. Die Stromautobahnen für die Energieversorgung einer Stadt sind nicht Teil einer Schönheitskonkurrenz - aber notwendig. Dasselbe gilt für U-Bahn-Schächte. Motorsägen, die den Kampf gegen Alleebäume aufnehmen werden beschrieben. Aber so wie den alten Bäumen junge nachfolgen, so sucht und findet die Autorin immer wieder Oasen der Zufriedenheit. Blühende Tulpen, Magnolien- und Kastanienbäume sind es, die den Häuserfronten Paroli bieten.
Wohl wissend, dass es oft sogar unsichtbare Mauern sind, hinter denen es dramatisch veränderte Seelenlandschaften gibt. Das Gedicht „Mona“ gibt einen Blick hinter eine dieser Mauern frei.
Im Buch finden sich Texte, die gelten speziell für Wien, Porto oder Venedig. Doch auch die Seelen imaginärer Städte und Dörfer bleiben nicht im Verborgenen. Einblicke in das Seelenleben der Autorin werden ebenfalls gewährt. Hier ein Beispiel:
andachtsgrün
und suchen wir gott
und finden wir ihn in den bäumen,
mächtige zeichen aus seiner hand.
schau aufwärts entlang dieser säulen,
der rippigen stämme, verzweigung der
strebenden äste.
und fängt sich der blick im
kreuzrippengewölbe
der zweige.
mehr kirche braucht es nicht, als
hier erwächst.
strahlt doch der himmel SELBST
durch die lücken im dach.
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