02. 02. 2019 - Reibeisen Nr. 36
Am 12. April 2019 erscheint die 36. Ausgabe des Kulturmagazins „Reibeisen".
Im allgemeinen Literaturteil werden Textbeiträge folgender Autorinnen und Autoren zu finden sein:
Dirk Alt, Alexandra Anvari, Regina Appel, Michael Arenz, Ruth Barg, Danielle Barthel, Dirk-Uwe Becker, Elin Bell, Ines Beyer, Katharina Bosch, Jimmy Brainless, Stefan Breitenfeld, Wilhelm Brenner, Manfred Chobot, Gerhard Dick, Jens Dittmar, Karl Drechsler-Mörwald, Wiebke Drucker, Raoul Eisele, Anna Felnhofer, Sabina Fudulakos, Dietmar Füssel, Thomas Gföllner, Katharina Goetze, Josef Graßmugg, Christl Greller, Simon Guerel, Irena Habalik, Elisabeth Hafner, Joachim Gunter Hammer, Anke Harnisch, Holger Hartenstein, Julia Hintermayer, Marina Ivkić, Markus Jäger, Gerald Jatzek, Marlies Jensen-Leier, Marlies Joepen, Harald Jöllinger, Wolfdietrich Jost, Andreas Kircher, Jörg Kleemann, Barbara Klein, Ingrid Maria Kloser, Kristiane Kondrat, Dietwin Koschak, Isabella Kramer, Mira Jana Krassnig, Friederike Krassnig, Norbert Leitgeb, Dominik Leitner, Sepp Maier, Nicole Makarewicz, Anastasiya Maria, Susanne Mathies, Otmar Matthes, Wolfgang Mayer-König, Eberhard Mayr, Eva Meierhofer, Kerstin Meixner, Eline Menke, Ela Meyer, Brigitta Michel-Schwartze, Peter Mitmasser, Karl Mittlinger. Miklos Muhi, Andreas Müller, Manuela Nimmervoll, Elvira Nüchtern, Milena Orlando, Martin Peichl, Karl Plepelits, Mechthild Podzeit-Lütjen, Ulla Puntschart, Francesca-Maria Raffler, Sabine Reyher, Florian Josef Rinderer, Johanna Ruano Rodriguez, Kaia Rose, Artur Rosenstern, Simon Sailer, Marlen Schachinger, Marlene Schulz, Therese Schwarz, Martina Sens, Sophie Spitzer, Maria Stalder, Achim Stößer, Marlies Strübbe, Christine Teichmann, Thyra Thorn, Henriette Tomasi, Johannes Tosin, Ulrike Toth, Adi Traar, Helmut Türk, Sigrid Uhlig, Wolfgang Uster, Martin A. Völker, Heinrich von der Haar, Stephan Vonschallen, Johannes Wally, Stephanie Michaela Weiß, Rudolf Wiedner, Peter Paul Wiplinger, Johannes Witek, Johanna Wurzinger, Tabea Zeltner, Alfred Zoppelt
01. 02. 2019 - Zu ebener Erde - Christine Teichmann
"Zu ebener Erde" - der neue Roman ist erschienen!
Zu ebener Erde
von Christine Teichmann
So ungehemmt der Schauspieler Idomeneo Parsenus auch in jeder Rolle aufgeht, so grandios versagt er im wirklichen Leben als Vater und als Partner. Es bleibt seinen Kindern, Ida und Gabriel, überlassen, Sein und Schein auseinanderzuhalten und herauszufinden, wer sie für sich und für einander sind, was mit der Mutter geschah und nicht zuletzt, wie sie Sexualität leben können und wollen. Die Zeit, in der Gabriel ein Praktikum macht, wird zu einer Wendezeit für das geschwisterliche Paar. Die pointierte und messerscharfe Beschreibung dieses Sommers im Küchenbetrieb eines Kärntner Hotels gerät zu einer psychologischen Darstellung der Ich-Findung Gabriels. Eingespannt in einen trostlosen Alltag und fragwürdige sexuelle Erfahrungen wird die Sehnsucht nach der Schwester übergroß. Bis er schlussendlich, zu ebener Erde angekommen, entdeckt, wer er sein darf.
Preis: AT € 22,50 / DE € 21,88
ISBN13: 978-3-903144-73-6
Erscheinungsdatum: 01.02.2019
Lesung aus dem Roman: 4. April 2019
GLÜCK
Lavinia Braniste (RO), Christine Teichmann (A) und Ilse Kilic (A)
Kulturzentrum bei den Minoriten / Literatur
Mariahilferplatz 3, A-8020 Graz
www.kultum.at
10. 12. 2018 - Drei Rezensionen
Christl Greller
„und fließt die zeit wie wasser wie wort“
Gedichte
Edition lex list 12
ISBN 978-3-99016-145-6
Manchmal denkt man sich, das kann doch nicht wahr sein, schon wieder ein Gedichtband am Schreibtisch. Und denkt womöglich weiter, „haben die Lyriker noch immer nicht alles ausgeschöpft, was an Poesie vorhanden ist?“
Ja, hin und wieder ist der Gedanke da, dass dieses oder jenes Buch besser nicht geschrieben worden wäre, man denkt an die Bäume und anderen Ressourcen die dafür dran glauben mussten. Hin und wieder ist aber ein Buch dabei, das von vornherein solche Gedanken verbietet: Man schlägt es auf, beginnt zu blättern, zu lesen und stockt. Stockt, liest nicht weiter, schaut auf die Zeilen und sieht vor seinem inneren Auge Bilder entstehen. Man hat wieder ein Buch erwischt, das es wert war gedruckt zu werden, wo keine Gedanken an vergeudete Bäume auftauchen. Zugegeben, sehr oft ist das nicht mehr der Fall, es scheint doch so zu sein, dass Lyrikern die Poesie ausgeht oder zumindest abhanden kommt.
Sicher, „man“ hat sich selber auch einmal an Gedichten versucht, aber bald festgestellt, dass andere Formen der Sprache mehr konvenieren, besser liegen, leichter zu handhaben sind. Ja, genau das! Es gibt in der deutschen Literatur nichts was schwieriger ist als (noch immer) Gedichte zu schreiben! Nicht nur von Goethe heißt es, er habe schon alles gesagt! Welche Fülle, welchen Schatz an Lyrik haben uns die Poeten aller Zeit bis herauf zu den Lebenden hinterlassen, da ist es wirklich schon einem legendären Sechser mit Jackpot zu vergleichen, wenn ein Gedichtband erscheint, der die eingangs geschilderten Symptome erzeugt: Lesen, innehalten, stocken, Bilder aufbauen lassen, zurückblättern, all das, was einem Leser von Gedichten diese Tätigkeit so anregend macht.
Der Leser folgt der Autorin beispielsweise „unters dach“ (Seite 17) und findet in der Aneinanderreihung von solch unpoetischen Begriffen wie leiterstiege, altholz, gefügt, gezimmert, lackspritzern, brandspuren, usw. eine Poesie vor, die bezaubert. Und pflichttreue Stufen, die in Halbtonschritten aufwärts... Ja, das ist Poesie. Da lohnt es sich sitzen zu bleiben, das Bild vor sich entstehen lassen und weiterzeichnen. Auf Seite 45 kommt „wolkensilber“ – welch gefährliches, weil abgedroschenes Bild! Und was macht die Dichterin daraus! Fünf oder vielmehr fünfeinhalb Zeilen, die mit den Worten enden: ...dann glück. Welch Wagnis! Glück in einem Gedicht des 21. Jahrhunderts anzusprechen und dann noch dazu in einem so einfachen Bild wie in diesem Poem!
Zentrifugal, Seite 80 lässt uns wieder eine ganz andere Christl Greller schauen: „Durch Drehtürenkreisel gehen, rund und rund, und bist eine andere, auf der anderen Seite - und dennoch dieselbe. ... dennoch dieselbe, bist eine leichtere, auf der anderen Seite.“ Welch tiefe Einsicht! Und gleich auf der daneben liegenden Seite (81) die Sonntagsstadt. Wer erinnert sich nicht an die „sumer in bradnsee“? Bilder stehen auf, Erinnerungen werden lebendig. Diese Rezension wird Mitte Dezember geschrieben, daher ist es naheliegend auf das Gedicht auf Seite 89 hinzuweisen: Dinner for one (self)
So präzise ist die Situation beschrieben, wenn es fällig oder notwendig wird, einen neuen Kalender aufzuhängen oder die Termine darin einzutragen: „die liste der pläne, der absichten, vorsätze – und ich will sie abarbeiten mit aufgestrickten ärmeln. Drei! Hundert! Fünf! Und sechzig chancen! Dann wieder Dezember!“
Liebe Christl Greller! Bei unserem letzten persönlichem Treffen (26. November im Palais Niederösterreich) da hattest Du so einen finsteren Gesichtsausdruck und dann lese ich wenige Tage darauf diesen wunderbaren Gedichtband. So schön! Noch etliche solcher Bücher wünsch ich mir! Auch wenn ich bereits den Vorsatz gefasst habe, keine weiteren Bücher bei mir einzureihen, da werde ich gerne wortbrüchig!
Schön, dass Du schreibst!
Hans Bäck
Kapfenberg
Blick. Dichte
Zeichnungen von Beatrix Kramlowsky, Gedichte von Sylvia Treudl
Literaturedition Niederösterreich
ISBN 978-3-902717-42-9
Am Anfang war...
Ja, was war am Anfang? Die Zeichnung? Das Gedicht?
Eine kleine Notiz auf der Rückseite des Umschlages gibt dann doch die notwendige Auskunft: Die Lyrikerin hat in den Skizzen und Grafiken geblättert und sich dann „auf einen farbigen poetischen Diskurs“ eingelassen.
So denn, daraus wurde ein kleines Wunderwerk. Zuerst möchte ich aber den Verlag, das Layout, die für Satz und die Umschlaggestaltung Verantwortlichen sowie die mit der Gesamtherstellung beauftragte Druckerei ausdrücklich vor den Vorhang bitten! Es ist (leider) selten geworden, dass sich ein Verlag mit soviel Mühe, Sorgfalt und Liebe zum Werk an einen Band wagt, der dann „nur“ ein paar Gedichte und Zeichnungen enthält! Sogar chinesische (?) Schriftzeichen sind wiedergegeben (Seite 34).
„Nur“ einige Gedichte! Und einige Zeichnungen dazu. Und dann liegt ein Buch am Tisch, das der Rezensent mit einiger Spannung aufschlägt, zu blättern beginnt und bald nicht mehr weiß, soll er rechts lesen oder links schauen? Also, einmal auf die Seite legen, googeln was über die beiden Damen herauszufinden ist (und über die Angaben im Buch hinausgeht), da beginnt dann das große Staunen und wieder weiß der Rezensent nicht ob lesen oder schauen?
Man trifft Entscheidungen und beginnt mit der Autorin, die im Buch auch „oben“ angeführt ist. Schriftstellerin, Bildende Künstlerin, eine der vielen Doppelbegabungen! Eine jener Frauen, die in zwei Sprachen zu uns sprechen, die Bilder mit Worten malen, die wandern zwischen den Ausdruckswelten und hier in diesem Band uns einen Einblick geben, in das was die Ausdruckmöglichkeiten in Form, Farbe (eingeschränkt auf schlechten Rotwein) ermöglichen. Der Rezensent sollte sich aber auf das beschränken, was sein Gebiet ist – die Literatur. Daher hier für Beatrix Kramlovsky Aussagen befreundeter Maler und Grafiker: unglaublich starke Zeichnungen, hervorragender Strich, eine Reduktion auf das Wesentlich mit einer Konsequenz durchgeführt, die zum Staunen veranlasst. Mit wie wenig Strichen, Farbschattierungen „Stephansplatz“ (Seite 87) oder „der Aufkehrer“ (Seite 135) dargestellt sind – einfach grandios! Liebe Beatrix K. soweit die Aussagen meiner Freunde, die von diesem Metier „etwas verstehen“ das gebe ich mit eigener Begeisterung gerne weiter!
Doch nun zur Lyrik:
Also, nochmals zur Erinnerung: Zuerst war das Bild und dann begann das Malen der Bilder mit den Worten. NEIN, ich stoße mich nicht an der Verwendung des & anstelle der Konjunktion, das hat uns die Friederike Mayröcker seit Jahrzehnten angewöhnt und es wird gerne angenommen, aufgenommen und verwendet. Ein wenig ein Problem habe ich mit dem : am Beginn einer Zeile. Vielleicht bekomme ich dazu eine Erklärung.
Doch nun zur Poesie. Und da reißt es den Rezensenten manchmal den Sessel unterm Hintern weg. Wie oft habe ich schon darüber geklagt, dass manche Dichterinnen und Dichter die Poesie darin finden, dass sie vollkommen unmotiviert einen Satz unterbrechen, eine neue Zeile beginnen, damit eine Strophenform vortäuschen, die in keiner Weise existiert. Das vermeidet Sylvia Treudl weitgehend – und selbst wenn es einmal vorkommt, wie im Gedicht Flohmarkttype (Seiten 112-113) so ist es nicht aufdringlich und an den Haaren herbeigezogen sondern macht Sinn und entspricht dem Sprachfluss. Wobei gerade in dem erwähnten Gedicht die große Könnerschaft der Dichterin sich zeigt. Wer würde sagen, dass ein „abgeplatztes Randerl“ Poesie sein kann. Doch, doch es ist so und gerade dieser Text ist voll mit versteckten Schönheiten, eben so poetisch, wie ein Stöbern am Flohmarkt sein kann! (dieses „Prunkstück im Mosaik des Habens“) Ja, liebe, verehrte Frau Treudl, das ist Lyrik des Alltags! Der schon bei Beatrix Kramlovsky erwähnte Aufkehrer (Seite 134) ist ein Prachtstück auch im oder als Text! Wenn ein Beckmesser meinte das „getratsche“ sei nicht poetisch genug, so habe ich ihm geantwortet ‚lies einfach weiter und denk nach was da steht’. Damit war einer zum Schweigen gebracht.
Wie toll sind die beiden Typen auf den Seiten 108 und 110 geschildert. Der „Mann in Eile“ und der „wartende Kutscher in Quebec“ und dazu die Zeichnungen, ich bin überzeugt, besser kann man das nicht beschreiben und zeichnen.
Meine verehrten Damen, „je retire mon chapeau mesdames!“
Bei der Sorgfalt, mit der dieses Buch gemacht, nein gestaltet ist, kann es kein Zufall sein, dass genau das Gedicht „Warten auf den Bus“ (Seite 204) so weit hinten aufscheint. Das ist einer der lyrischen Höhepunkte, auf welchen die Texte hinsteuern, um dann in einem Gedicht zu enden, dass der alten Blümchen- und Landschaftslyrik endgültig den wohlverdienten Todesstoß gibt „Tulpen“:
...
wohlig räkelt sich
ein Gartensessel
& verlangt
gutmütig brummelnd
nach einem Fußschemel
:zum Gedankenaustausch
Zusammenfassend: Ein Fest für Leser, Bilderbetrachter, Lyrikliebhaber, einfach für alle, die Freude an etwas Ausgefallen haben!
Ich wünsche dem Buch viele Leser (und den Autorinnen viele Käufer!)
Hans Bäck
Kapfenberg, November 2018
eine künstlerische doppelbegabung zu sein, heißt in zwei (bild-)sprachen sprechen. bilder malen mit worten, tönen, gestik, form und farbe. zu wandern zwischen zwei (ausdrucks-)welten. wenn die worte ausgehen, zur farbe greifen oder umgekehrt. sind doppelbegabungen gnade oder fluch?
Zu den Zeichnungen von Beatrix Kramlovskiy im gemeinsamen Gedichtband mit Sylvia Treudl „Blick.Dichte“
Nun ist es also passiert – das ANDERSHERUM : Im Anfang war nicht das Wort, sondern das Bild! Die Zeichnung ! Sie steht hier nicht gewohnt nachrangig in dienender Funktion, als Illustration des Textes. Vielmehr fungierte sie, wenn ich die Entstehungsgeschichte des Büchleins richtig verstanden habe, als Anlass, Auslöser, Geburtshelfer für das Wort und in Folge als Motor für ein lustvolles, symbiotisches Kommunizieren von Text und Bild auf gleicher Ebene und Wellenlänge. Soweit zur Besonderheit dieses Buches.
Die ZEICHNUNG nun, allgemein eingestuft als einfach, wenn nicht gar simpel, ohne großen zeitlichen und materialmäßigen Aufwand, kleinformatig, unscheinbar, weil ohne Farbgetöse, Pinselvirtuosität und sonst Erstaunlichem, bietet dem „breiten Publikum“ deshalb wenig Imponierendes. Dazu das alte Missverständnis von Kunst und bloßer Kunstfertigkeit. Die Stärke der Zeichnung liegt woanders – in ihrer Unmittelbarkeit! Das ist ihre wesentlichste Eigenschaft und zugleich Stärke. Mit Blick auf die Zeichnung des Kindes, bzw. die zeichnerischen Relikte aus den Anfängen der Menschheit kann man sie außerdem zu den URFÄHIGKEITEN des Menschen zählen. Die Qualität bildnerischer Werke – und jetzt beziehe ich mich konkret auf die „rechten Seiten“ des Buches – wird nicht von Inhalt/Thema bestimmt. Vereinfacht ausgedrückt, der bedeutungsvollste Inhalt kann höchst ungekonnt, stümperhaft, künstlerisch wertlos dargestellt sein. Dagegen können Darstellungen von Belanglosem, Alltäglichem, höchst Normalem, wie sie in diesem Buch auftreten, faszinierend, berührend, ergreifend umgesetzt sein.
Ins Auge fallend sind bei dieser Bildserie die Spontanität, die Frische und eine verblüffend sichere Strichführung, zurückzuführen wohl auf ein gutes Auge und sehr viel zeichnerische Erfahrung. Dazu gesellt sich eine an gute Karikaturen erinnernde Treffsicherheit an den gezeichneten Charakteren. Allerdings ohne die für die Karikatur typische Überzeichnung. Die Zeichnerin bleibt im Bereich des Realen, demonstriert hier aber ihre Meisterschaft in der Methode des Vereinfachens, Weglassens, ohne dass sich jedoch beim Betrachter das Gefühl des Fehlens einstellte oder der Ausdruck in der Menschdarstellung verflachen, beliebig würde.
Augenfällig ist ebenso die Variablilität der Strichführung, nicht nur bedingt durch den Wechsel von Stahl – auf Rohrfeder, bzw. Pinsel. Einmal steht die fest zupackende, entschiedene Umrisslinie der tänzelnden Unruhe fragmentarischer Strichführung gegenüber, ein andermal zeigt sie sich krakelig nervös oder lyrisch fließend. Die Grade des Abstrahierens wechseln ebenso und führen da und dort bis hart an die Grenze zum Nicht – Gegenständlichen. Und wenn es nötig erscheint, oder sich eben auch nur anbietet, tritt partiell auch die (lavierte) Fläche zur linearen Darstellung. Die resignative Feststellung „ein Bild gesehen – alle gesehen“ trifft hier keineswegs zu, wobei aber die Handschrift der Künstlerin trotz ihres „Vagabundierens“ erkennbar, bzw. wiedererkennbar bleibt.
Wiewohl mir die Kompetenz für die Einschätzung der „linken Seiten“ fehlen, hat sich bei mir der Eindruck einer trefflich gelungenen Symbiose eingestellt.
Bernd Hasler, bis 1985 Lehrer und Kunsterzieher, freischaffender Maler: Vom Formalen her gesehen, ist der Bruch ein zunehmend bevorzugtes Arbeitsprinzip – ein SOWOHL ALS AUCH, oft sogar eine Verschwisterung diametraler Bildelemente: Figuration:Abstraktion; Gestisch-Intuitives:Geometrisches
Kay Ganahl (Hrsg.), Dagmar Weck, Dagmar Schenda
„Blicke auf Literatur und Leben“
Prosatexte, Gedichte, Essays, Autobiografisches
Shaker Media GesmbH
ISBN 978-3-95631-692-0
Wenn gute Freunde, liebe Kollegen ein Buch herausbringen, ist man als Rezensent gefordert. Erstens muss man, soll man alle persönlichen Befindlichkeiten hinter sich lassen, anderseits soll man/muss man auch die persönlichen Kenntnisse von einander berücksichtigen.
Und von da an wird es schwierig.
Ich versuche es trotzdem. Dabei will ich nicht in der Reihenfolge der abgedruckten Texte vorgehen, ich werde mich an den einzelnen Autoren abarbeiten und beginne gerne mit meiner lieben verehrten
Dagmar Weck: Sie ist mit vier Texten vertreten. Allen ist gemeinsam, dass die Frauen in diesen Texten ihre Probleme mit den Männern haben, es sind immer wieder dominierende Typen, die letztendlich gar nicht so stark sind und die Frauen dann sehr bald die Verbindungen kappen. Eine Geschichte (Zara und Angus) führt uns in ferne – nein gar nicht so ferne und unbekannte Welten, diese sind uns näher als uns lieb sein kann. Weck nimmt hier eine Zukunft vorweg, vor der uns eigentlich das Fürchten befallen sollte. Immer schon haben die Schriftsteller den Nimbus gehabt, als Propheten, als Verkünder von Unheil zu fungieren. Denken wir nur an die vielen geheimnisvollen – vor allem Frauen – in der Geschichte, die Wahr- oder Vorhersagten. Die Menschen in dieser Geschichte, man fragt sich von Zeile zu Zeile, sind das noch Menschen wie Du und Ich oder sind es schon totale Zombies? Dagmar Weck lässt dies offen, es unserer Beurteilung überlassen. Visionen, die nicht unbedingt erfreulich sind!
Dagmar Schenda ist eine jener Doppelbegabungen, die man immer häufiger antrifft. Sie zeichnet, malt und entwirft das Cover für ihre Bücher selbst. Was stellt sie in diesem Band vor? Beginnt sinnvollerweise mit den Problemen jener, die plötzlich sich mit den Errungenschaften eines Bill Gates herumschlagen müssen. Im Klartext, wie es jedem geht, der sich mit Textverarbeitung, Word und anderen Geheimnissen der IT herumschlagen muss. (Fast) jeder hatte diese Erfahrungen selbst machen müssen, es gibt nicht so viele Glückliche wie den Rezensenten, der von Anbeginn mit Mac, mit Apple arbeiten konnte und daher diese Erzählungen eben nur aus der Sicht der Betroffenen kennt. Vielleicht eine Warnung, eine Anregung, an die vielen Software-Entwickler, einmal nachzudenken, was es mit der Forderung von STEVE JOBS und STEVE WOZNIAK auf sich hatte: Jedes Produkt, jedes Programm geht erst dann hinaus, wenn es auch die Oma versteht! Jedenfalls Dagmar hat diese Schwelle überwunden, im nächsten Text „Die Abenteuer von Papa“ schildert sie ihr Leben, vom Mädchen, dem der Papa die Geschichten erzählte bis zu jener jungen Frau, die nun diese Geschichten selbst erfand. Ein einsamer Gymnasiallehrer der ein kostbares Buch gefunden, das ihm wichtiger als alle Lebensfreuden war, junge Schülerinnen vermied er ebenso (war auch für ihn besser) als Freudenmädchen, nur um das eine Buch ging es ihm. Auch in der Geschichte von Rosalinde, Kurt und Claude geht es vorrangig um Bücher, doch lässt die Autorin dabei ihre geheime Leidenschaft zum Durchbruch kommen. Was heißt geheime Leidenschaft? Wer die Homepage der Autorin anschaut, wird sehr bald über die „geheimen Vorlieben“ von Dagmar Schenda Bescheid wissen! Im abschließenden Text beschäftigt sich die Autorin mit den verschiedenen Bezeichnungen, Wörtern welche die menschliche Fortbewegung in der Literatur, in der Umgangssprache beschreiben.
Kay Ganahl ist der Wissenschaftler unter den drei Autoren. Jeder seiner Texte beschäftigt sich mit literarischen Problemen und Fragen: Unser ‚letztes’ Buch, strahlend, selbst sich auflösend, zerfallend, alles fließt, bewegt sich fort, wird unendlich. Natürlich, das Lesen ist für einen Büchermenschen wie Kay existenziell, dann muss er erleben, wie eine attraktive Nachbarin ein Buch ausborgt, noch dazu Kafkas Schloss, nur um vorzugaukeln auch sie habe ein Buch! Reflexionen über das Studium, Gedanken zum Lesen an sich, die Wandlung der Stellung des Schriftstellers in der Gesellschaft und damit ein Blick auf den „Literaturbetrieb“ früher und heute. Ein hochinteressanter Essay erkundet das Schriftsteller-Ich, autobiografische Notizen und viele andere Texte runden das Bild ab, das sich der Leser von Kay Ganahl danach machen kann.
Eine Fülle an Gedanken, Ideen, Einfällen. Man merkt, hier schreibt einer, dem das Herz, die Feder übergeht, den es danach drängt, endlich, endlich all das auszudrücken, was ihm am Herzen lag. Der Rezensent erlaubt sich einen kleinen bescheidenen Einwand: Weniger wäre mehr oder zumindest genug gewesen.
Es muss unheimlich schwierig sein, drei so unterschiedliche Autoren zu einem gemeinsamen Buch zu bewegen, was dabei zwangsläufig auf der Strecke bleiben muss: Der gemeinsame Rote Faden. So ist es eine Ansammlung von total unterschiedlichen Texten, die leider kaum einen Zusammenhang haben. Ich gebe zu, das wäre schwierig gewesen, doch bei einer anderen Auswahl der Texte beispielsweise der beiden Autorinnen, wäre der Literaturwissenschaftler Kay womöglich weitaus stärker zur Geltung gekommen. So wirkt seine Vermischung von Essay, wissenschaftlichem Beitrag und Short Story etwas willkürlich zusammengetragen.
Jedenfalls ein erfreuliches Lebenszeichen aus dem Kreis der Autoren des FDA NRW!
Hans Bäck
Kapfenberg (Österreich)
05. 11. 2018 - Auszeichnung
Auszeichnung für Dirk-Uwe Becker
Unser langjähriges Vorstands- und Redaktionsmitglied war Ende Oktober 2018 einer der Teilnehmer der 2. Konferenz des polnischen Schriftstellerverbandes (Sektion Großpolen).
Es trafen sich Schriftsteller aus der Ukraine, aus Weißrussland, Frankreich, Griechenland und natürlich aus Polen. Sogar ein vietnamesischer Teilnehmer war dabei.
Dieses Treffen im Dzialynski-Palast in Poznan/Posen stand ganz im Zeichen der Poesie und Aphorismen.
Es gab aber noch einen weiteren Höhepunkt: Danuta Bartosz (Vorsitzende und Organisatorin), überreichte Dirk-Uwe Becker den Aphoristiker-Pass!
Becker ist erst der vierte und bisher einzige deutsche bzw. deutschsprachige Autor, dem diese besondere Ehre zuteil wurde.
Die beiden letzten Tage in Polen waren von Lesungen und Vorträgen der Autoren in Schulen und der Universität Poznan geprägt. Weiters in Schulen und auf dem Hauptmarkt von Pila (auf dem die Texte ausgedruckt in Geschäften und von der Großhallendecke herab, sowie in den Schulen aushingen) und als Abschluss das Projekt „Lesen gehen“ mit deutschen Gedichtvorträgen polnischer Schüler in der neuen philologischen Universität Poznan.
Den anregenden Diskussionen folgte das Versprechen auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr!
20. 08. 2018 - Die Dankesrede
Anlässlich seines 85. Geburtstages blickte Matthias Mander in der Wiener Rupertikirche zurück auf sein bisheriges Leben
2. 8. 2018
Kurzbericht über die lange Flussreise auf dem Zeitstrom
Auf dem rechten Ufer entfaltet sich dein Aussenleben, auf dem linken entsteht allmählich das Innenleben. Stündlich fällt dein Blick über die eiligen Wellen auf die beiden Begleitufer. Im Vorüberziehen ändern sich Lichtwinkel und Schattenlinien, Hitze oder Frost, Stille oder Lärm, Förderndes oder Hemmendes, blitzartig schlagen Ereignisse ein, aber auch der Anschein von Langsamkeit bleibt verlässlich. Vorbeidrehende Gegebenheiten sind stets neu einzuwerten. Nicht nur die Erscheinungsflucht wird ständig neu, auch deine Augen, deine Maßstäbe, deine Diskontierungszeiten sind im sprichwörtlichen Fluss. Woran vom äußeren Zeitflussufer erinnerst du dich?
Die Zweizimmer-Küche-Wohnung im ersten Stock der Grazer Josef-Huber-Gasse mit dem praktischen Lebensmittelgeschäft im Parterre, in das du Däumling oft geschickt wurdest und einmal statt mit Butter mit zwei frischen Kipferln zurückhinauf kamst? Oder das nächtlich bedrohliche Radiogebrüll einer tödlichen Stimme, nur von zackigen Marschhymnen unterbrochen? Die davor verstummten Eltern in der Küche draußen glaubten, du schläfst. Später Vati und Mutti abwesend, Unruhe und Spannung, Nachbarinnen versorgten dich linkisch. Dann brachte Vati dich zu seiner Schwester nach Lebring bei Leibnitz, ein Bauerndorf in hügeliger Murlandschaft. Viele gutmütige Nachbarn, stets ansprechbar wie Familienmitglieder. Und das dortige Stromkraftwerk an der Mur, in dessen Mechanik dich ein freundlicher Maschinenwärter mehr als gründlich einwies – das Gebäude an der Schleuse nach dem edlen Backsteinrot plötzlich dunkelgrün gestrichen, Ziel mehrerer Tieffliegerangriffe… Nach dem Überleben in der Hauptkampflinie an der Mur – die Sprengung der Murbrücke beschädigte die Uferkeusche der Tante schwer. Nach der Heimkehr des abgezehrten Vaters noch ein paar prägende Grazer Schuljahre an der dortigen HAK mit bemühten Lehrern in armseligen Uniformresten … Hunger-, Kälte- und Notzeiten.
Es folgen am rechten Lebensflussufer bizarre Industrielandschaften, provisorisch überdeckte Hallenruinen, schwere 58-Stunden-Arbeitswochen, Wiederaufbau-Improvisationen, Material- und Energiemangel, jahrelange Rechtsunsicherheit. Die Aussenlebenkulisse wechselt nach Wien - Notwerkstätten an der Engerthstraße, technische Bravourleistungen an großen Werkstücken, die nur aus der Montagehalle transportierbar waren, indem der Hallenboden unter dem Außentor abgegraben wurde. Staatsvertrag. Du warst am 15.5.1955 mittags im Belevederepark und abends vor dem Schloss Schönbrunn zum feierlichen Empfang für die Signatarmächte. – Einsatz zur Übernahme der beiden Waagner-Biro-Fabriken in Stadlau – Maschinenbau und Gießerei. Der alte Oberbuchhalter dort weinte vor Angst, dass er nun wegen der jahrelangen Bilanzbeschönigung, die er auf Befehl des russischen Militärdirektors vorgenommen hatte, durch die neue österreichische Verwaltung bestraft werde. Du konntest ihn beruhigen… Die dortigen Löhne wurden nach deinem Antrag über Nacht auf Anordnung des Bundeskanzlers Raab verdreifacht und dem westösterreichischen Niveau angepasst. – Es folgen Jahrzehnte sich beschleunigenden und vollendenden Wiederaufbaus: Kraftwerke, Brücken, Verkehrsbauten, Kulturstätten: Burg, Oper und erstmals grosse Exporterfolge. - Schließlich für die eigene Familie das Häuschen in Gerasdorf und für die Firma der neue Hochhauskomplex in Stadlau für Konstruktionssäle und Verwaltung. Dieses Aussenleben mit vielen imponierenden Kolleginnen und Kollegen erfüllt kräftig das rechte Ufer deines Zeitflusses. Und in Gerasdorf, dem bleibenden Wohnort zwischen Großstadt und Weinviertel, entstand unter dem tüchtigen Bürgermeister ein Kulturzentrum – Stätte vieler persönlicher Begegnungen. Dazu viele nicht remunerierte Gemeinschaftsdienste.
Das linksseitige Zeitflussufer bietet nicht die hochragenden Fabriksbauten und Werksgelände, die dramatischen Wochenfluchten harter Arbeitseinsätze, nicht die komplizierten Kalkulationszumutungen und Konflikte, nein, linksseitig strömt der Zeitfluss die hochherzigen Jugendjahre den Vorgaben frommer familiärer Vorbilder entlang. Der Landpfarrer Onkel Franzl, seine den Haushalt führende Schwester, zugleich deine Ziehmutter, der fleißige österreichtreue und kirchentreue Vater, die Erklärungen zum Tod der Mutter, das eifrige Lesen in Onkel Franzls nachgelassenen Büchern; später die eindrucksvollen Fabriksvorgesetzten und Einsatzvorbilder im Wiederaufbauheldenzeitalter der Wiener Großbewährung. Das Innenleben des linken Lebensflussufers gewann Farbe durch viele hierüber selbst verfasste Erzählungen für das Radio Graz, selbst gelesen unter der Leitung von Dr. Alfred Holzinger. Schließlich zwei Romantrilogien – die Erz-Blech-Chemie Trilogie bei Styria und die Garanastrilogie bei Czernin. Die höchstkompetente Freundschaftlichkeit der Theaterleitung Gerald Szyszkowitz` und Michaela Ehrensteins sowie aller Mitwirkenden der Freien Bühne Wieden, die von dir vier Dramen erfolgreich aufgeführt hat, schenkte packende Kunsteinblicke.
Das linke Ufer ist eine Abfolge der Versuche mit deinen geringen Möglichkeiten den geschenkten Einsichten Form zu geben. Die Mühe ist verbrieft, ein Erfolg kaum herzuleiten. Dennoch ist aus den linken Flussbegleitfeldern ein inneres Erntefeld geworden.
Das Aussenlebenufer hat an Wichtigkeit abgenommen, das Innenlebenufer begleitet mit zunehmender Sichtschärfe die Flussreise. Dank für so viel familiäre Liebe und kollegiale Hilfe, für die Sicherung durch den österreichischen Sozial-, Rechts- und Kulturstaat; Franz Schuberts Lied aus 1817 „An die Musik“ mit seinem „Dank an die Kunst“ fällt dir ein. – Dank an Wohltäter aus 85 Jahren, seit das Floß im Zeitstrom fährt. Es trägt viele Geschenke lebender und gestorbener Mitmenschen. In der Innenwelt wirken alle weiter, verweisen aufeinander, unterweisen dich.
Am linken Flussufer steht heute quasi eine Kathedrale voll Bildern, Denkmälern, Schlüsselszenen, Stimmen, vielen lieben Gesichtern. Alle diese Bestärkungen helfen, das Leid, das unsere Erde überzieht, ohne geistige Verstümmelung zu ertragen. Ungeheure Bildungs-, Ordnungs- und Moraldefizite erdrosseln die Weltgemeinschaft. Keinen Augenblick können wir uns vom tätigen Mitleid abwenden.
Die Innenwelt birgt Letztgültiges. Über die Grenze des Sagbaren hinaus. Auch wenn es an Gesprächspartnern zuweilen mangelt. Das ist die gehorsam hinzunehmende Regel dieser großen Flussreise. Doch Tragfähiges erweist sich über den Fluten: Vor vielen Jahren fiel wie nebenbei im Gespräch mit dem lieben Franziskanerpater Willibald sein Wort „Im Dienst Gottes zu Staub werden“ – mehr Wahrheit gibt es nicht.
Und noch eine letzte Regel bestimmt die Fahrt auf dem Zeitstrom zwischen Aussen- und Innenwelt: Das Floß ist schneller als der Fluss! Physikalisches Gesetz!
Das gibt für immer zu denken. Dein Floß übergleitet deinen Fluss aus der Zeit hinaus. Es befreit sich und dich vom Zeitlichen.
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